• Ausfertigung
        • IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

Deutsche Telekom AG

            • Klägerin / Berufungsbeklagte

Proz. -Bev.:

...

g e g e n

...

            • Beklagter / Berufungskläger

Proz. -Bev.:

Rechtsanwalt Alexander Weber

Kaitzer Str. 51, 01187 Dresden

 

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wegen Forderung

erlässt die 8. Zivilkammer des Landgerichts Dresden durch Vors. Richter am Landgericht Riechert als Vorsitzenden, Richter am Landgericht Klinghardt und Richter am Landgericht Dück als beisitzende Richter, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2002 am 26.02.2003 folgendes

ENDURTEIL

1.) Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Amtsgerichtes Dresden vom 3.5.2002 abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 0,25 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz gemäß § 1 Diskontüberleitungsgesetz für den Zeitraum vom 11.8.2000 bis zum 31.12.2001 sowie Zinsen aus 0,25 Euro in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 1.1.2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.) Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3.) Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

- 4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch

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Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5.) Die Revision wird zugelassen.

Tatsächliche Feststellungen:

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Entgelte für Telekommunikationsverbindungen geltend, die im Mai 2000 von dem Telefonanschluss des Maklerbüros des Beklagten aus zu einer 0180-Service-Nummer oder verschiedenen 0180-Service-Rufnummern hergestellt worden sein sollen.

Bereits am 25.4.1996 schlossen die Parteien einen Telefondienstvertrag über die Einrichtung

eines Euro-ISDN-Anschlusses. Die Erstellung von Einzelgesprächsnachweisen wurde bei

Vertragsabschluss nicht vereinbart.

Streitig sind Entgelte für drei von der Klägerin behauptete Verbindungen. Die letzten drei Ziffern der Zielrufnummern zu den streitgegenständlichen Verbindungen wurden von der Klägerin zu einem von ihr nicht mitgeteilten Zeitpunkt gelöscht und nur der übrige Teil der Zielrufnummern gespeichert. Die Verbindungen wurden dem Beklagten am 4.7.2000 in Rechnung gestellt; am 13.7.2000 erhob der Beklagte hiergegen Einwendungen.

Die Klägerin behauptet, am Freitag, den 19.5.2000 sei um 16:10:56 Uhr vom Anschluss des Geschäftsbetriebes des Beklagten aus eine Verbindung zu einem 0180-Service hergestellt worden, die 113 Stunden, 24 Minuten und 25 Sekunden aufrechterhalten worden sei; des Weiteren seien am 26.5.2000 um die Mittagszeit zwei Verbindungen

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von einer Dauer von 51 Sekunden bzw. 52 Sekunden zu einem 0180-Service vom Anschluss des Beklagten aus hergestellt worden. Angewählt worden seien Telefon-oder Telefax-Nummern, die jeweils mit der Ziffernfolge 0180/505254182... begonnen hätten.

Die Klägerin ist der Auffassung, nach § 6 Abs. 3 5. 2 TDSV sei ihr lediglich die Speicherung der um drei Stellen verkürzten Zielrufnummern zu Beweiszwecken möglich gewesen. Der zu ihren Gunsten sprechende Anscheinsbeweis sei insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Beklagte BTX oder Verbindungen über einen PC genutzt haben könne, nicht ausgeschlossen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin könne den Nachweis, die für den 19.5.2000 behauptete Verbindung zu einem 0180-Service für ihn hergestellt zu haben, nicht führen: schon auf Grund der Länge des angeblichen Telefonats spreche für die Richtigkeit der Abrechnung kein Anscheinsbeweis. Da die Klägerin die vollständige Zielrufnummer nicht offen lege, würden ihm Möglichkeiten zur Führung eines Gegenbeweises abgeschnitten.

Hinsichtlich des weiteren Vortrages der Parteien sowie der Anträge der Parteien in erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des Endurteils des Amtsgerichtes Dresden vom 3.5.2002 Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage weitgehend - bis auf einen Teil des Zinsanspruches - stattgegeben. Für die von der Klägerin berechneten Verbindungsentgelte streite der Anscheinsbeweis, den der Beklagte nicht zu erschüttern vermocht habe. Zur Vorlage der vollständigen Zielrufnummern sei die Klägerin nach § 6 IV 2 TSDV nicht verpflichtet gewesen; nach § 6 III 2 TSDV habe sie nur die um drei Stellen verkürzten Zielrufnummern speichern können.

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Gegen seine Verurteilung in erster Instanz wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung; obwohl er sich insgesamt gegen seine Verurteilung wendet, führt er in der Berufungsbegründung aus, einzig streitbefangen sei der Anwählvorgang vom 19.5.2000.

  • Beide Parteien haben im Berufungsverfahren ihren erstinstanzlichen Vortrag vertieft und ergänzend vorgetragen.
  • Die Klägerin hat ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach dem Stand vom Januar 1996 vorgelegt. Weder die Bedingungen „Deutsche Telekom Leistungsbeschreibung Telefondienst (Euro-ISDN)“ noch die Bedingungen „Deutsche Telekom Jeistungsbeschreibung Telefondienst (Telefonanschluss)“ befassen sich mit einem möglichen Verlangen des Kunden auf eine vollständige Speicherung der Verbindungsdaten über den Zeitpunkt der Versendung der Rechnung hinaus und etwaigen Beweisnachteilen des Kunden für den Fall, dass diese vollständige Speicherung nicht begehrt wird.

  • Der Anschlusspunkt des allgemeinen Netzes befindet sich im Anwesen des Beklagten. Er ist nicht verplombt oder versiegelt und lässt sich auf Grund eines nahe anliegenden privaten Kabelkanals des Beklagten nicht bzw. nicht unbemerkt öffnen.
  • In zweiter Instanz schließt der Beklagte nunmehr nicht mehr aus, am 26.5.2000 eine Rufnummer eines 0180-Services angerufen zu haben.

  • Zu den Geschäftsräumen des Beklagten, in denen sich der hier relevante ISDN-Telekommunikationsanschluss befindet, hatten lediglich der Beklagte und dessen Sekretärin Zugang. ... verbrachte vom 13.5.2000 bis 28.5.2000 Urlaub im Ausland, so dass ausschließlich der Beklagte in dem Zeitraum der angeblich am 19.5.2000 aufgebauten Verbindung Zugang zu den Geschäftsräumen hatte.
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    Der Beklagte hielt sich am 19.5.2000, 22.5.2000, 23.5.2000 und 24.5.2000, nicht hingegen am 20.5.2000 und 21.5.2000 in seinen Büroräumen im Anwesen ... auf. Eine Fehlfunktion eines Telefons oder des Telefaxgerätes fiel dem Beklagten am 22.5.2000 oder an den darauffolgenden Tagen nicht auf.

    Die Rechnung vom 4.7.2000 enthielt den Hinweis:

  • „Einwendungen gegen diese Rechnung richten Sie bitte umgehend schriftlich oder zur Niederschrift an die oben genannte Kundenniederlassung .... Einwendungen müssen spätestens innerhalb von acht Wochen ab dem genannten Rechnungsdatum bei der oben genannten Kundenniederlassung .... eingegangen sein ....Wir sind verpflichtet, Ihre Verbindungsdaten 80 Tage nach Versand zu löschen, sofern Sie nicht sogar die sofortige Löschung mit uns vereinbart haben.
  • Der Beklagte behauptet, sein Telefax sei ständig „in Dienst“. Wenn bei einem Telefon eine Verbindung aufgebaut sei, könne das andere Telefon nicht mehr genutzt werden, da er nur zwei Leitungen nutzen könne.

    Der Beklagte ist der Auffassung, § 6 IV TDSV könne - da ausschließlich der Schutz des Kunden Zielrichtung der Verordnung sei - nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sich die Beweislast zum Nachteil der Kunden der Telekommunikationsunternehmen umkehre.

     

    Die Klägerin behauptet, auf Grund der bei der technischen Prüfung vor Ort vorgefundenen Begebenheiten sei eine Fehlbuchung und eine Aufschaltung. Dritter ausgeschlossen. Die Möglichkeit eines Defektes oder eines administrativen Fehlers könne vorliegend mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Schilderungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zur Nutzung der beiden ihm zur Verfügung stehenden Kanäle sei nur mit einer aktiven, dauerhaft ankommenden oder abgehenden Gesprächs- oder

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    Telefaxverbindung erklärlich; damit lägen Anzeichen für eine Dauerverbindung vor.

     

    Zu den Angaben des Beklagten im Termin vom 11.12.2002 zur Funktionsweise seines ISDN-Anschlusses wurde der Klägerin ein Schriftsatznachlass eingeräumt; im entsprechenden Schriftsatz vom 31.1.2003 führte die Klägerin erstmals aus, sie habe den Beklagten wiederholt zur Vorlage der weiteren, später auf seinen Wunsch erstellten Einzelgesprächsübersichten aufgefordert; so lange der Beklagte diese nicht vorlege, sei sein Argument, auf die Kenntnis der vollständigen Zielrufnummer der umstrittenen Inanspruchnahme eines 0180-Dienstes im Mai 2000 angewiesen zu sein, rechtsmißbräuchlich, zumal sich aus den Folgeübersichten ergeben könne, dass der Beklagte die im Mai 2000 genutzen Rufnummern auch danach weiter genutzt habe und somit die im Mai 2000 genutzten Rufnummern sehr wohl kenne. Nach § 16 TKV habe sie allen Erfordernissen Rechnung getragen, die sich für sie nach Erhebung von Einwänden gegen die Richtigkeit der Rechnung ergäben. Im Übrigen sehe § 6 TDSV keine Hinweispflicht zur möglichen vollständigen Speicherung von Einzelverbindungen vor, so dass ihr das Unterlassen eines entsprechenden Hinweises nicht zum Vorwurf gemacht werden könne.

     

    Hinsichtlich des weiteren Vorbingens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    Begründung:

    A) Die zulässige Berufung hat in der Sache im Wesentlichen Erfolg.

  • I. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Vergütung für die streitige Verbindung zu einem 0180-Service im Zeitraum vom 19.5.2000 bis 24.5.2000. Die
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    Klägerin vermag den Beweis für die Inanspruchnahme einer entsprechenden Verbindung nicht zu führen.

    1.) Für die Richtigkeit ihrer Behauptung, dass durch ein Endgerät des Beklagten am 19.5.2000 zu einem Anschluss mit einer mit 0180/505254182(...) beginnenden Rufnummer eine Verbindung aufgebaut und über mehr als 113 Stunden gehalten wurde, streitet nicht schon der Beweis des ersten Anscheins.

    a) Grundsätzlich streitet zwar der Beweis des ersten Anscheins für die Richtigkeit der Abrechnungen der Klägerin (vgl. OLG Hamm, Archiv PT 1994, 242 ff; OLG Celle, NJW-RR 1997, 568 ff; LG Gießen, Archiv PT 1996, 260 ff; LG Weiden, NJW-RR 1995, 1278; LG Saarbrücken, NJW-PR 1996, 894 f); vorliegend ist indes dieser Anscheinsbeweis durch die ungewöhnliche Länge der am 19.5.2000 angeblich hergestellten Verbindung und der dadurch bedingten Höhe des auf diese Verbindung entfallenden Entgeltes erschüttert. immerhin führte allein diese eine Verbindung zu Telefonkosten, die ein Mehrfaches der Monatsentgelte betragen, die der Beklagte in den davor liegenden Jahren an die Klägerin zu entrichten hatte. Ein Dauertelefonat über einen derart langen Zeitraum kann nach menschlichem Ermessen von einer Person allein nicht geführt werden. Unstreitig hat sich zudem der Beklagte am 20.5.2000 und am 21.5.2000 in den Büroräumen, in denen sich der Telekommunikationsanschluss befindet, gar nicht aufgehalten; auch wurden die Büroräume nach dem unstreitig gebliebenen Sachvortrag des Beklagten im Zeitraum vom 19.5.2000 bis 24.5.2000 von keiner Person außer ihm genutzt. Auch ist ungewöhnlich, dass von Seiten des Anschlusses, zu dem die Verbindung aufgebaut worden sein soll, die Verbindung über 113 Stunden hinweg nicht abgebrochen wurde.

    Das Aufrechterhalten einer (angeblich) am 19.5.2000

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    aufgebauten Verbindung bis zum 24.5.2000 bleibt auch dann noch auf Grund der Länge äußerst ungewöhnlich, wenn in Betracht gezogen wird, die Verbindung könnte mittels

    eines Telefaxgerätes oder eines Personal Computers mit Internetzugang aufgebaut worden sein (wobei der Beklagte zudem bestritten hat‚ neben zwei Telefonen und einem Telefaxgerät in dem streitigen Zeitraum weitere Endgeräte angeschlossen zu haben)

    Hier liegt kein typischer Geschehensablauf mehr vor, der einen hinreichend sicheren Rückschluss auf den tatsächlichen Geschehensablauf zulässt (vgl. LG Oldenburg, NJW-RR 1998, 1365). Vielmehr erscheinen hier Gründe für die Abweichung sowohl im Verantwortungsbereich des Beklagten als auch der Klägerin denkbar. Insbesondere erscheinen z.B. Software-Fehler im Bereich der Klägerin nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. Graf von Westphalen/Grote/Pohle, Der Telefondienstvertrag, 2001, S. 66).

    b) Gegen eine Erschütterung des Anscheinsbeweises spricht auch nicht das Telekommunikationsverhalten des Beklagten am 26.5.2000. Zwar ist vom Telefonanschluss des Beklagten aus am 26.5.2000 zweimal mit einer Zielrufnummer ein Kontakt hergestellt worden, deren erste 13 Ziffern genau so lauteten wie jene bei der Zielrufnummer, zu der am 19.5.2000 ein Kontakt aufgebaut worden sein soll. Auch hat der Beklagte nicht ausgeschlossen, die Verbindungen zum 0180-Service am 26.5.2000 selbst hergestellt zu haben. Hieraus ist jedoch nicht der Schluss zulässig, der Beklagte kenne entgegen seinen Darlegungen die Zielrufnummer, die am 19.5.2000 von seinem Telefonanschluss aus angewählt worden sein soll. Immerhin können sich hinter der Ziffernfolge 0l80/505254l82xxx 1000 verschiedene Zielrufnummern verbergen. Auf Grund der Vielzahl der verbleibenden möglichen Zielrufnummern war der Beklagte auch nicht...

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  • zu beauflagen, sämtliche Einzelgesprächsnachweise für den Zeitraum ab 13.7.2000 vorzulegen. Selbst, wenn sich dort weitere Eintragungen mit der Ziffernfolge 0180/505254182xxx gefunden hätten, hätte dies keinen Rückschluss darauf zugelassen, dass der Beklagte den (angeblich) am 19.5.2000 angewählten 0180-Service kannte und selbst angewählt hat.
  • 2.) Das von der Klägerin angebotene Sachverständigengutachten dazu, dass die Möglichkeit eines Defektes, einer Aufschaltung Dritter, eines administrativen Fehlers oder einer Fehlbuchung ausgeschlossen sei, war nicht einzuholen.

  • Die Behauptung eine sachverständige Untersuchung werde das von der Klägerin genannte Resultat erbringen, kann vielmehr als wahr unterstellt werden. Gleichwohl wäre bei einem entsprechenden Ausgang einer Begutachtung der Beweis als nicht von der Kägerin geführt anzusehen.
  • Dem Beklagten wären nämlich mangels Offenlegung der vollständigen Zielrufnummer, zu der die Verbindung aufgebaut worden sein soll, Möglichkeiten zur Erschütterung der Feststellungen des Sachverständigen oder zur Führung eines Gegenbeweises abgeschnitten.

    a) Die Erschütterung einer entsprechenden Beweisführung der Klägerin durch den Beklagten bei Kenntnis der vollständigen Zielrufnummer wäre durchaus denkbar.

    So wären dem Beklagten Ermittlungen dazu möglich, inwieweit die (angebliche) Zielrufnummer seinerzeit überhaupt vergeben war. Eine Erschütterung der Beweisführung der Klägerin wäre auch in der Weise denkbar, dass Ermittlungen des Beklagten ergeben könnten, dass unter der angeblichen Zielrufnummer keine automatisierten Dienstleistungen sondern z.B. persönliche Beratungs- oder

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    Informationsleistungen erbracht werden und somit der angeblich angerufene Dienstleister die Verbindung in jedem Falle nicht über Tage hinweg aufrechterhalten hätte.

    b) Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihr das Unvermögen, vollständige Einzelgesprächsnachweise für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 19.5.2000 bis zum 24.5.2000 zu Beweiszwecken vorzulegen, nach § 6 IV 2 TDSV nicht zum Nachteil gereichen dürfe.

    aa) § 6 IV 5. 2 TSDV in der Fassung vom 12.7.1996 bestimmt S zwar, dass der Diensteanbieter von der Pflicht zur Vorlage von Daten zum Beweis der Richtigkeit der Entgeltrechnung frei ist, soweit Verbindungsdaten nach § 6 III 2 TDSV gekürzt wurden. § 6 III 5. 2 TDSV gestattet als Regelfall für den Zeitraum nach Versendung der Rechnung an den Kunden die Speicherung der um drei Stellen gekürzten Zielrufnummern bis zu 80 Tagen (nach Versendung). Eine ausdrückliche Verpflichtung zur Kürzung der Verbindungsdaten um drei. Stellen schon bei Versendung der Rechnung (d.h. vor dem Zeitpunkt, zu dem deutlich wird, ob Einwendungen gegen die Rechnung erhoben werden), normiert § 6 III 2 TDSV dem Wortlaut nach nicht. Allerdings ist § 6 III 2 TSDV als Präzisierung zur Vorschrift des § 6 III 1 TDSV zu verstehen, der für den Regelfall die unverzügliche Löschung der für die Berechnung des Entgelts nicht erforderlichen Daten fordert. Bei 0180-Service-Abietern ist zwar einerseits für die Abrechnung zwischen der Klägerin und dem Inhaber der Sonderrufnummer die Kenntnis der vollständigen Zielrufnummer erforderlich. Für die Abrechnung gegenüber dem Kunden der Klägerin bedarf es hingegen für die bloße Berechnung des einzufordernden Entgeltes lediglich der Kenntnis der ersten Ziffer nach den Ziffern 0180. So galt für den hier in Rede stehenden Zeitraum ein Tarif von 12 Pf. je angefangene 30 Sekunden

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  • bei Sonderrufnummern, die mit 0180-5 beginnen. § 6 III 2 TSDY ist daher aus dem systematischen Zusammenhang heraus dahingehend zu verstehen, dass es ab Versendung der Rechnung die Löschung der drei letzten Stellen der Zielrufnummern als Regelfall vorbehaltlich Sonderwünschen des Kunden gebietet. § 6 III 4 TDSV bezieht sich nur noch auf den Teil der Verbindungsdaten, die auch noch gespeichert sein müssen. Wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat, regelt § 6 IV 2 TDSV für den Regelfall eine Befreiung von der Pflicht zur Vorlage vollständiger Verbindungsdaten, sofern die nach § 6 III 2 TDSV zulässige Kürzung vorgenommen wurde.
  • bb) Dahinstehen kann, ob der Klägerin die Berufung auf § 6 IV 2 TDSV schon deshalb verwehrt ist, weil in der Nichtaufklärung über das Wahlrecht nach § 6 IV 1 TDSV eine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten bzw. ein Verschulden bei Vertragsverhandlungen zu sehen ist.

    § 6 TSDV sieht immerhin - worauf die Klägerin zutreffend hinweist – keine ausdrückliche Verpflichtung des Telekommunikationsunternehmens zum Hinweis auf die mögliche vollständige Speicherung nach § 6 IV 1 Nr. 1 TDSV und die in § 6 IV 2 TDSV für den Kunden vorgesehenen, nachteiligen Folgen für den Fall des Unterlassens dieses Speicherungsbegehrens vor. Eine vertragliche Nebenpflicht zum Hinweis auf Regelungen, die der Verordnungsgeber für den Regelfall trifft, erscheint trotz der überlegenen Sachkunde der Klägerin problematisch, wenn weder dem Kunden (anders als in der Fallkonstellation, die z.B. der Entscheidung des OLG Köln, VersR 2001, 724 zu Grunde lag) suggeriert wurde, es handele sich bei dem durch die Verordnung vorgesehenen Regelfall der Kürzung der Verbindungsdaten um die letzten drei Stellen der Zielrufnummern um eine besondere Serviceleistung noch der Kunde veranlasst wurde, eine seine Beweissituation

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  • gegenüber dem Regelfall noch weiter verschlechternde Auswahl zu treffen (zur Rechtslage in letzterem Fall LG Ulm, NJW-RR 1999, 1512).
  • cc) Ein Berufen auf § 6 IV 2 TDSV ist der Klägerin indes schon deshalb nicht möglich, weil die Vorschrift insoweit unwirksam ist, als sie eine teilweise Befreiung der Diensteanbieter von der Obliegenheit zur Vorlage der vollständigen, ungekürzten Verbindungsdaten auch für den Fall vorsieht, dass diese nach § 6 III 2 TSDV gekürzt wurden (a.A.: LG Frankfurt/Oder,MMR 2002, 249 ff; zitiert nach JURIS).

    § 6 IV 2 TDSV weicht insoweit von dem tragenden Grundsatz der Zivilprozessordnung ab, dass im Rechtsstreit grundsätzlich die Partei, die ein Recht geltend macht, die Voraussetzungen dieses Rechts auch beweisen muss. § 6 IV 2 TSDV ist nämlich dahingehend zu verstehen, dass dem Diensteanbieter bei der Frage, ob er den Beweis der Richtigkeit der Entgeltrechnung geführt hat, kein Nachteil aus der fehlenden Vorlage der Verbindungsdatenteile, die nach § 6 III 2 TSDV gekürzt wurden, entstehen soll. Damit schafft § 6 IV 2 TSDV jedoch eine Beweiserleichterung für den Diensteanbieter, indem dem Kunden Gegenbeweismöglichkeiten abgeschnitten werden und der Kunde sich auf die hieraus ergebenden Zweifel an der Richtigkeit der Entgeltberechnung nicht mit Erfolg soll berufen können. Nur, soweit § 6 IV 2 TSDV auf die auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden sofort gelöschten Verbindungsdaten verweist, stellt er eine Ausprägung des allgemeinen Rechtsgedankens dar, dass in einem Zivilprozesss einer Partei keine prozessual negativen Folgen daraus entstehen sollen, dass sie zur Vorlage von Unterlagen deshalb nicht mehr in der Lage ist, weil sie diese auf Wunsch der Gegenseite vernichtet tat (vgl. LG München 1, BB 1996, 450 = NJW-RR 1996, 893 zu der

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    insoweit gleichlautenden Regelung des § 6 UDSV; Büchnei in Beck‘ scher Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, 2. Aufl., Anh § 89 TKG, § 6 TDSV, RN 3). Jedoch stellt § 6 IV 2 TDSV insoweit keine Ausprägung allgemein anerkannter Rechtsgrundsätze dar, als er auch auf Kürzungen nach § 6 III 2 TDSV Bezug nimmt. Wie oben ausgeführt, ist nämlich die teilweise Löschung der Zielrufnummern als Regelfall bereits bei Versendung der Rechnung (d.h., bevor der Kunde Gelegenheit zur Erhebung etwaiger Einwendungen hatte) vorgesehen. Damit beruht die teilweise Löschung jedoch auf Festlegungen des Verordnungsgebers, nicht aber auf einew entsprechenden Wunsch des Kunden. Die teilweise Löschung nach § 6 III 2 TDSV kann dem Kunden auch nicht indirekt zugerechnet werden. Es kann dahinstehen, ob letzteres in Betracht käme, wenn der Kunde über seine Alternativen nach § 6 IV 5. 1 TDSV belehrt würde und ihm zudem mögliche nachteilige Folgen für seine Beweissituation für den Fall, dass er sich nicht ausdrücklich für die unter § 6 IV 5. 1 Nr. 1 TDSV vorgesehene Alternative entscheidet, vor Augen geführt würden. § 6 TSDV sieht indes - wie bereits ausgeführt - keine ausdrückliche Verpflichtung des Telekommunikationsunternehmens zum Hinweis auf die mögliche vollständige Speicherung nach § 6 IV 1 Nr. 1 TDSV und die in § 6 IV 2 TDSV für den Kunden vorgesehenen nachteiligen Folgen für den Fall des Unterlassens dieses Begehrens vor. Entsprechende Hinweise an den Beklagten sind vor dem hier maßgeblichen Zeitraum vom 19.5.2000 bis 26.5.2000 auch nicht erfolgt. Damit kann dem Kunden (hier dem Beklagten) aber auch nicht entgegengehalten werden, er habe die Löschung von Verbindungsdaten quasi durch die Nichtausübung seines Wahlrechtes nach § 6 IV 1 Nr. 1 TSDV selbst veranlasst. Der in der Literatur und Rechtsprechung hierzu vertretenen Gegenauffassung (vgl. Ehrner in: Beck‘scher TKG-Kommentar, 2.Aufl., Anh. §41, § 16 TKV, RN 11; OLG Celle, NJW~RR 1997, 568, 570) vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Für den Fall der

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    Kürzung der Verbindungsdaten nach § 6 III 2 TDSV überzeugt das Argument nicht, der Kunde dürfe es nicht in de Hand haben, erst die Vernichtung von Beweismitteln zu fordern, um sich dann auf deren Fehlen berufen zu können. In dem nach § 6 III 2 TDSV vorgesehenen Regelfall wird die teilweise Vernichtung von Beweismitteln gerade nicht vom Kunden, sondern von dem Verordnungsgeber gefordert; der Kunde bleibt hinsichtlich der teilweisen Vernichtung von Beweismitteln auf Grund der Nichtbelehrung über seine Wahlmöglichkeit nach § 6 IV 1 TDSV in Unkenntnis, sofern er sich diese Kenntnisse - was allerdings nur bei einem verschwindend geringen Anteil des Kundenkreises der Fall sein dürfte - nicht selbst durch vertiefte Auseinandersetzung mit der Materie des Datenschutzes im Bereich der Telekommunikation verschafft. Kommt es zum Konfliktfall mit dem Telekommunikationsunternehmen, so ist es für den Kunden nach der von der Verordnung vorgegebenen Praxis zu spät, um noch die Vernichtung der Beweismittel aufhalten zu können. Dem Kunden gleichwohl die Unterlassung der Nutzung des Rechtes nach § 6 IV 1 Nr. 1 TSDV vorzuwerfen (so Ehmer, a.a.O.), erscheint unangemessen. Die Lösung des Oberlandesgerichtes Celle (NJW-RR 1997, 568, 570), dem Kunden die durch Verordnung vorgegebene teilweise Löschung der Verbindungsdaten zuzurechnen, überzeugt nicht. Zwar wird das Telekommunikationsunternehmen einerseits im Regelfall durch den Verordnungsgeber durch § 6 III 2 TDSV gezwungen, die eigene Beweislage zu verschlechtern; diese Verschlechterung ist also durch das Telekommunikationsunternehmen nicht verschuldet. Ein Verschulden des Kunden liegt indes ebensowenig vor.

    Für die in § 6 IV 2, 1. Alternative TDSV vorgesehene Abweichung von tragenden Darlegungs- und Beweislastregeln der Zivilprozessordnung stellt § 10 des Gesetzes über die Regulierung der Telekommunikation und des Postwesens vom 14.9.1994 (PTRegG) keine hinreichende

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    Ermächtigungsgrundlage dar. Eine Verschlechterung der Beweissituation für den Kunden entgegen tragender Grundsätze der Zivilprozessordnung hätte der Entscheidung durch den Gesetzgeber selbst bedurft, weil es sich hierbei um eine wesentliche Frage handelt. Dem Verordnungsgeber stand es nicht frei, sich ohne ausdrückliche Ermächtigung bei der Ausgestaltung des ihm von der Ermächtigungsgrundlage eingeräumten Entscheidungsspielraums über den zentralen Grundsatz der Beweislast des Anspruchstellers für rechtsbegründende Tatsachen hinwegzusetzen, dessen ausdrückliche gesetzliche Ausformulierung lediglich deshalb nicht erfolgte, weil dieser Grundsatz für zu selbstverständlich erachtet wurde (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 23. Aufl., Vor § 284, RN 17a ). § 10 II Nr. 1 c) PTRegG sieht gerade vor, dass dass Unternehmen und Personen, die Telekommunikationsdienstleistungen erbringen, Kundendaten erheben, verarbeiten und nutzen können sollen, soweit dies für die Ermittlung und den Nachweis der Entgelte erforderlich ist. Weder § 10 II Nr. 1 PTRegG noch andere Regelungen des § 10 PTRegG, die Datenschutzbelangen hohe Priorität einräumen, sehen hinsichtlich der Beweislast im Falle eines Streits über die Richtigkeit ermittelter Entgelte kundenfeindliche Regelungen vor noch lassen sie solche Regelungen ausdrücklich zu.

    Hinzu kommt, dass die für die Beweissituation der Verbraucher nachteilige Regelung von erheblicher praktischer Relevanz ist. Theoretisch verbleibt dem Verbraucher nach Erhalt der Rechnung Gelegenheit zu deren Überprüfung und die Erhebung von Einwendungen. Will er indes die Abrechnung einzelner Verbindungen angreifen, würde ihm auch die verlängerte Speicherungsfrist für die verkürzten Verbindungsdaten nach § 6 III S. 3 TDSV nicht weiterhelfen; der Gegenbeweis bliebe ihm regelmäßig gleichwohl nach § 6 IV S. 2 TDSV abgeschnitten. Faktisch bestünde bei uneingeschränkter Anwendung des § 6 IV

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    S. 2 TDSV in der Fassung vom 12.7.1996 im Regelfall ein Ausschluss für Einwendungen im erheblichem Umfang; das Einwendungsrecht des Kunden würde, soweit er nicht konkrete Anhaltspunkte auf technische Manipualtionen hat, im Wesentlichen auf eine bloße rechnerische Überprüfung der Abrechnung reduziert. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die in § 6 IV 2, 1. Alternative TDSV vorgesehene Erschwerung der Beweislage für den Kunden nicht zwingend mit einer angemessenen Gewichtung des Datenschutzes verbunden ist und daher nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, der Gesetzgeber habe diese Folge sozusagen als der Ausgestaltung des Datenschutzes immanent gebilligt. Zwar mag im Interesse des Datenschutzes ein möglichst frühes Löschen zumindest eines Teils der Verbindungsdaten wünschenswert sein. Nicht zwingend ist indes, dass Verbindungsdaten - zumal, wenn sie Entgelte betreffen, die nicht ausschließlich für Dienste des Telekommunikationsunternehmens, sondern für Serviceleistungen Dritter erhoben werden - zunächst gespeichert, aber ausgerechnet bei Versendung der Rechnung an den Kunden teilweise vernichtet werden müssen. Bei einer zeitlich knapp befristeten Speicherung der vollständigen Verbindungsdaten im Regelfall auch über den Zeitpunkt der Versendung der Rechnung hinaus könnte dem etwaigen Interesse der Kunden, auf Überprüfung der Abrechnung besser Rechnung getragen werden, ohne dass der Datenschutz zu sehr hintan gestellt werden müsste. Zudem hätten auch Lösungen gewählt werden können, bei denen der Kunde auf seine Wahlmöglichkeiten hingewiesen werden muss.

    c) Die Klägerin vermag sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie sei nach § 16 II TKV von der Verpflichtung zur Benennung der vollständigen Zielrufnummer der angeblich vom 19.5.2000 bis zum 24.5.2000 gehaltenen Verbindung befreit

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    Es kann dabei dahinstehen, inwieweit § 16 III TKV ebenso wie § 6 IV 2, 1. Alternative TDSV Bestimmungen beinhaltet, die eine Abkehr von zentralen Beweislastregeln der Zivilprozessordnung zu Lasten der Kunden darstellen und inwieweit der Erlass solcher Bestimmungen durch den Verordnungsgeber in § 41 III Nr. 7 TKG, die immerhin eine Kundenschutzverordnung vorsieht, eine hinreichende gesetzliche Grundlage finden.

    § 16 TKV greift nämlich seinem Wortlaut nach vorliegend nicht. Nach § 16 II 1 (3. und 4.Alt.) TKV hätte ein drucktechnisch deutlicher Hinweis darauf erfolgen müssen, wann nach den gesetzlichen Vorschriften die Löschung gespeicherter Verbindungsdaten erfolgt. Darauf, dass bereits mit Versendung der Rechnung eine teilweise Löschung der Verbindungsdaten erfolgte, erfolgte indes kein Hinweis in der dem Beklagten übersandten Rechnung vom 4.7.2000.

    II. Die Klägerin hat dagegen Anspruch auf Entgelt für die von ihr abgerechneten Verbindungen zu einem 0180-Service am 26.5.2000. Insoweit liegt in der Berufungsinstanz letztlich kein Bestreiten des Beklagten mehr vor, für diese Anwählvorgänge verantwortlich zu sein.

    III. Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus § 284, 288 BGB I a.F., 288 I BGB n.F.

    B) Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II ZPO.

    C) Die Revision war zuzulassen. Die Frage der Wirksamkeit der Regelung in § 6 IV 2, 1. Alternative TDSV ist angesichts der massenhaften Verbreitung von Vertragsverhältnissen, in denen der Kunde weder einen vollständigen Einzelgesprächsnachweis gefordert hat noch eine Aufklärung des Kunden über Beweislastnachteile für den Fall der Nichtanforderung vollständiger

     

    Einzelgesprächsfnachweise erfolgte, von grundsätzlicher Bedeutung.

    Riechert     Klinghardt    Dück

    Vors. Richter    Richter    Richter

    am Landgericht   am Landgericht  am Landgericht

      • Für den Gleichlaut der Abschrift/Ausfertigung
      • mit der Urschrift:
      • Dresden, den 04.03.2003
    Urteil

    ©2003 Rechtsanwalt
    Alexander Weber