Eigenbedarf: Vermieter müssen nur begrenzt Ersatzwohnraum anbieten

Im ersten Fall hatte der klagende Vermieter seiner Mieterin wegen Eigenbedarfs gekündigt. Nach Ablauf der Kündigungsfrist, aber vor Beendigung des Räumungsverfahrens war in demselben Haus eine gleich große Wohnung frei geworden. Diese hat der Kläger anderweitig vermietet. Zu Recht (BGH 9.7.03, VIII ZR 311/02).

Im zweiten Fall hatte der klagende Vermieter wegen Eigenbedarfs für seinen Bruder und dessen sechsköpfige Familie gekündigt. Zu Recht, denn auch Geschwister sind Familienangehörige i. S. des Eigenbedarfs-Rechts (BGH 9.7.03, VIII ZR 276/02).

Praxishinweis:
Die Entscheidung des Vermieters, wie er eine ihm gehörende Wohnung nutzen will, unterliegt seiner durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG garantierten Dispositionsfreiheit (BVerfG NJW 94, 435). Die Kündigung wegen Eigenbedarfs stellt allerdings einen erheblichen Eingriff in die Lebensumstände des Mieters dar. Dessen Besitzrecht an der gemieteten Wohnung ist ebenfalls durch diese Vorschrift geschützt (BVerfG NJW 93, 2035).

Dementsprechend ist der Vermieter zur schonenden Rechtsausübung verpflichtet. Er muss den mit der Eigenbedarfskündigung verbundenen Eingriff abmildern, soweit ihm dies möglich ist.

Mit seinen Urteilen bestätigt der BGH die in der Instanzrechtsprechung vorherrschende Auffassung, dass den Vermieter daher grundsätzlich die Pflicht trifft, dem Mieter eine ihm zur Vermietung zur Verfügung stehende andere Wohnung anzubieten. Aber Vorsicht: Diese muss - wie der dem zweiten Fall zu Grunde liegende Sachverhalt zeigt - nicht im Eigentum des Vermieters stehen.

Gleichzeitig zieht der BGH der Anbietpflicht enge zeitliche und räumliche Grenzen: Die Anbietpflicht entfällt, wenn die Wohnung erst nach dem Ablauf der Kündigungsfrist, z.B. noch während des laufenden Räumungsprozesses, frei wird. Sie beschränkt sich zudem auf eine im selben Haus oder in derselben Wohnanlage befindliche Wohnung, um dem Mieter zu ermöglichen, eine Wohnung in seiner vertrauten Umgebung zu beziehen. Fehlt die erforderliche räumliche Nähe zu der bisherigen Wohnung, verhält sich der Vermieter nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er die Alternativwohnung anderweitig vermietet.

Darüber hinaus stellt der BGH klar, dass Geschwister des Vermieters Familienangehörige i.S. des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind. Zur Begründung des Eigenbedarfs bedarf es insoweit keines zusätzlichen, einschränkenden Tatbestandsmerkmals, wie einer engen sozialen Bindung zum Vermieter.

Eigenbedarf

©2003 Rechtsanwalt
Alexander Weber