Telekom-Anscheinsbeweis wackelt - Landgericht Dresden stärkt Verbraucherrechte

Mit einer bisher nicht veröffentlichten Entscheidung hat das Landgericht Dresden unter dem Aktenzeichen 8-S-0406/02, Urteil vom 26.02.2003, rechtskräftig seit 30.06.2003 die Verbraucherrechte gegen möglicherweise falsche Abrechnungen der Deutschen Telekom gestärkt.

Das Landgericht Dresden hatte zu entscheiden, ob der Anscheinsbeweis für die Richtigkeit der Abrechnungen der Deutschen Telekom AG, wie er bisher überwiegend von der herrschenden Meinung der Rechtssprechung angenommen wurde, auch noch dann gelten kann, wenn wie hier im vorliegenden Fall eine Abrechnung streitig ist, die sich auf eine Verbindung zu einer 0180er Service-Nummer bezieht, die 113 Stunden 34 Minuten und 25 Sekunden aufrecht erhalten worden sein soll und bei der aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit dem Kunden beim Gesprächsnachweis die letzten 3 Ziffern der Verbindungsnummer gelöscht wurden.

Das Landgericht Dresden hat dazu angenommen, dass der grundsätzlich von ihm geteilte Beweis des ersten Anscheines für die Richtigkeit der Abrechnungen der Deutschen Telekom vorliegend durch die Länge der angeblich gelisteten Verbindung erschüttert ist. Es liege hier kein typischer Geschehensablauf mehr vor, der einen hinreichend sicheren Rückschluss auf den tatsächlichen Geschehensablauf zulässt.

Im Übrigen müsste die Deutsche Telekom die vollständige Zielrufnummer offen legen, um den Kunden nicht die Möglichkeit zur Erschütterung der Abrechnung der Telekom zur Führung des Gegenbeweises abzuschneiden.

Die Deutsche Telekom könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihr Unvermögen die vollständige Einzelgesprächsnachweise für den streitgegenständlichen Zeitraum zu Beweiszwecken vorzulegen ihr nach § 6 IV S. 2 TDSV nicht zum Nachteil gereichen dürfe.

Zwar sei § 6 IV S. 2 TDSV im Prinzip nicht zu beanstanden dahingehend, dass eine Verkürzung der Speicherung der Verbindungsdaten vorgenommen wird, jedoch sei ein Berufen der Deutschen Telekom hierauf schon deshalb nicht möglich, weil die Vorschrift insoweit unwirksam sei, als sie eine teilweise Befreiung der Diensteanbieter von der Obliegenheit zur Vorlage der vollständigen ungekürzten Verbindungsdaten auch für den Fall vorsieht, dass diese vertragsgemäß verkürzt würden. Insoweit weiche die Vorschrift von dem tragenden Grundsatz der Zivilprozessordnung ab, dass im Rechtsstreit grundsätzlich die Partei die ein Recht geltend macht, die Voraussetzung dieses Recht auch beweisen muss.

Bei der Löschung der letzten 3 Ziffern der Verbindungsnummer handele es sich nämlich nicht um eine Sonderwunsch des Kunden sondern vielmehr sei die Löschung der Zielrufnummern als Regelfall bereits bei der Versendung der Rechnung durch die Verordnung vorgesehen.

Kommt es zum Konfliktfall mit dem Telekommunikationsunternehmen, so sei es für den Kunden nach der Verordnung vorgegebenen Praxis zu spät, um noch die Vernichtung der Beweismittel aufhalten zu können. Für die Abweichung der Verordnung von den tragenden Darlegungs- und Beweislastregeln der ZPO stelle § 10 des Gesetzes über die Regulierung der Telekommunikation und des Postwesens vom 14.09.1994 keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage dar. Eine Verschlechterung der Beweissituation für den Kunden entgegen tragender Grundsätze der ZPO hätte der Entscheidung durch den Gesetzgeber selbst bedurft, weil es dabei um eine wesentliche Frage handelt. Dem Verordnungsgeber stand es nicht frei ohne ausdrückliche Ermächtigung bei der Ausgestaltung des von ihm von der Ermächtigungsgrundlage eingeräumten Entscheidungsspielraumes über den zentralen Grundsatz der Beweislast des Anspruchsstellers für rechtsbegründende Tatsachen hinwegzusetzen. Die Begünstigung durch die Anscheinsbeweisregelung zu Gunsten der Telekommunikationsrechnung könne voraussichtlich dann nicht mehr gelten, wenn durch die verkürzte Rufnummernspeicherung dem Kunden die Möglichkeit genommen wurde, den Gegenbeweis zu der im Streit stehenden Verbindung zu führen.

 

Die vom Landgericht Dresden zugelassenen Revision wegen der Frage der Wirksamkeit der Regelung in § 6 IV S. 2, 1. Alternative TDSV angesichts der massenhaften Verbreitung von Vertragsverhältnissen, in denen der Kunde weder ein vollständigen Einzelgesprächsnachweis gefordert hat, noch eine Aufklärung des Kunden über Beweislastnachteile für den Fall der Nichtanforderung vollständiger Einzelgesprächsnachweise erfolgte und dessen grundsätzlicher Bedeutung wurde von der Telekom am 30.06.2003 gegenüber dem Bundesgerichtshof zurückgenommen.

Das Urteil wird daher erhebliche Auswirkungen haben auf weitere Prozesse, in denen die Deutsche Telekom Abrechnungsansprüche aus Verbindungen mit verkürzten Rufnummern geltend macht. Darüber hinaus wird es für Verbraucher wichtig sein, sich künftig eher für die Möglichkeit des Erhalts eines vollständigen Rufnummernnachweises bei Vertragsschluss zu entscheiden (damit notfalls der Gegenbeweis einer kürzeren Verbindung geführt werden kann, wer wann wohin die Verbindung aus welchem Grund aufgebaut und wann abgebrochen hat). Darüber hinaus wird die Deutsche Telekom hinsichtlich der verkürzten Rufnummernspeicherung voraussichtlich in ihre künftigen Verträge eine Belehrung aufnehmen, dass für den Fall verkürzter Rufnummernspeicherung sich der Kunde bei einer Auseinandersetzung die Möglichkeit des Führens des Gegenbeweises abschneidet.

Den vollen Wortlaut des Urteils finden Sie hier!



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Verbraucherschutz

©2003 Rechtsanwalt Wilhelm Alexander Weber